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Unbekannter Untergrund

U-Bahn-Sicherheits-Schulung für Blinde und Sehbehinderte in München

 

Am 18.11.2013 fand in München an der Station Olympiazentrum eine U-Bahn-Sicherheitsschulung für Blinde und Sehbehinderte statt.


Etwa 20 Personen, Blinde und Sehbehinderte, darunter waren wir zwei die Einzigen, die ihre Hunde dabei hatten, ihre Begleitpersonen, sowie zwei Mobilitätstrainer.
Veranstalter war die MVG in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule München.

 

Nachdem gegen 20:30 Uhr alle Teilnehmer am Gleis eingetroffen waren, das freundlicherweise für diese Veranstaltung extra still gelegt worden war, begrüßten uns eine Dame von der Volkshochschule und ein Herr von der U-Bahn und erklärten den Ablauf.

 

Es wurden zwei Gruppen gebildet:
- Eine Gruppe erkundete eine bereit stehende U-Bahn von innen und konnte außen am Bahnsteig an der U-Bahn entlang gehen und in aller Ruhe die Türen oder den Abstand zwischen den gekoppelten Wagons ansehen.
- Die Zweite durfte aufs Gleisbett hinunter gehen, ausgestattet mit Warnwesten.

Die Gruppen wurden jeweils von einem Herrn der MVG begleitet.

 

Teilnehmer gehen die U-Bahn außen entlang

 

Bild 1: Teilnehmer messen den Abstand vom Bahnsteig zum Gleisbett mit dem Stock ab

 

 

 Teilnehmer vor der U-Bahn auf dem Gleisbett

 

Bild 2: Teilnehmer mit Warnwesten vor der U-Bahn auf dem Gleisbett

 

 

Den Teilnehmern im U-Bahn-Wagen wurde erklärt,
- dass die Türen paarig angeordnet sind und nur auf der Seite aufgehen,
- wo man aussteigen kann,
- dass der Knopf für die Gegensprechanlage, mit der man Kontakt zum Fahrer aufnehmen kann, jeweils auf der rechten Seite an der Tür ist und
- wo sich die Notbremse befindet.

Auch erfuhren sie, dass der Spalt zwischen U-Bahnwagen und Gleis, je nach Modell der Bahnn, variiert.

 

Auf die Frage nach der Geschwindigkeit der U-Bahn wurde erklärt, dass diese

- im Tunnel mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h und
- bei der Einfahrt in die Station im automatischen Fahrbetrieb noch 50 km/h schnell fährt.

 

Der Fahrer könnte den Zug allerdings auch im Handbetrieb einfahren lassen.
Sollte es bei der Einfahrt in die Haltestelle zu Problemen kommen, leuchtet ein blinkendes Ampelsignal auf.

Auf die Frage nach der Möglichkeit zu bremsen erfuhren wir, dass sich eine automatische Bremsvorrichtung auf dem Boden beim Einlauf in die Haltestelle befindet. Es ist ein gelber Kasten, der den Zug bei Problemen noch abbremsen könnte.

 

Auch die Teilnehmer, die mit dem anderen Herrn von der MVG ins Gleisbett hinunter stiegen – nicht alle Teilnehmer trauten sich das zu – erfuhren viele interessante Dinge.

 

Zunächst einmal war es für uns alle ein besonderes Erlebnis über den Schotter im Gleis zu gehen und zu erleben, wie weit oben die U-Bahn auf einmal ist, wenn man selbst so tief unten steht. Vom Gleisbett aus hat die U-Bahn eine Höhe von vier Metern.

 

Teilnehmer auf dem Gleisbett

 

Bild 3: Teilnehmer vor der 4 m hohen U-Bahn, im Vordergrund die Notbremseinrichtung

 

 

Teilnehmer berühren die Front der U-Bahn

 

Bild 4: Teilnehmer erkunden die Front der U-Bahn vom Gleisbett aus

 

 

Natürlich wurde gefragt, was im Falle eines Sturzes aufs Gleis zu tun ist.
Der Herr von der MVG erklärte, dass man sich am besten in die Aussparungen unter dem Bahnsteigboden rettet. Diese sind tief genug, dass einen ein eventuell einfahrender Zug nicht erfasst.

Im Gegensatz zur S-Bahn ist man bei der U-Bahn nur in den Schachtaussparungen sicher, da der Abstand zwischen U-Bahn und Gleis teilweise nur 20 cm beträgt. Da man nie sicher sein kann, wann die nächste U-Bahn einfährt, ist es am besten, Passanten auf sich aufmerksam zu machen, die den Nothalt am Bahnsteig betätigen können oder selbst per Handy einen Notruf abzusetzen.

 

Niemals, so erklärte uns der Herr, sollte man auf eigene Faust versuchen, sich zu befreien. Die Erfolgschancen sind sehr gering, da man vom Gleisbett bis zum Bahnsteig etwa 1,5 m überwinden müsste, was schon eine gewisse Sportlichkeit voraus setzt.

 

Bei einem Sturz aufs Gleis ist außerdem folgendes bezüglich des für den U-Bahn-Betrieb notwendigen Stroms zu beachten:

- Die Stromversorgung für den Zug ist mittig im Gleisbett installiert, Höhe ca. 60 cm.
- Eine Kunststoffabdeckung verhindert den Eingriff von oben,
die Abdeckung ist an der Unterseite aber offen!
- WICHTIG:
Nur von oben mit dem Langstock abtasten, der Kunststoff ist „hörbar“.
Antasten von unten ist lebensgefährlich!!
- Zur eigenen Sicherheit möglichst nah am Gleisbettrand bleiben.

 

 Teilnehmer testen mit dem Stock die Kunststoffabdeckung der Stromversorgung

 

Bild 5: Teilnehmer ertasten dei Kunststoffabdeckung der Stromversorgung mit dem Stock

 

 

Auch am Bahnsteig möglichst weit weg von der Bahnsteigkante bleiben:
Der Herr von der MVG erklärte uns, dass viele Stürze aufs Gleis dadurch passieren, dass Fahrgäste Kreislaufzusammenbrüche, o.ä. erleiden. Würden alle Personen einen genügend großen Abstand zur Bahnsteigkante einhalten, mindestens hinter der Leitlinie, würden sie bei einem Sturz nicht sofort ins Gleisbett fallen.

 

Als alle Teilnehmer wieder beisammen waren, ergaben sich noch weitere Fragen, so z. B., ob der Fahrer der Bahn den gesamten Zug entlang blicken kann und sieht, ob beispielsweise jemand in der Tür festhängt.
Den Teilnehmern wurde erklärt, dass bei der Ausfahrt aus der Haltestelle ein Spiegel angebracht ist, durch den der Fahrer an der Seite des Wagens entlang, aber nicht alles überblicken kann.

 

Auf die Frage nach den Vorteilen der „neuen“ U-Bahn wurde erklärt, dass diese für Blinde und Sehbehinderte den entscheidenden Vorteil bietet, dass keine Lücken mehr zwischen den Wagons sind und somit vermieden werden kann, versehentlich ins Gleisbett zu treten.

 

Teilnehmer vor dem Spalt zwischen zwei Wagons

 

Bild 6: Teilnehmer am gefährlichen Spalt zwischen zwei Wagons

 

 

Zum Abschluss konnten einige der Teilnehmer noch ausprobieren, wie es sich anfühlt, auf einer Rolltreppe zu fahren und abrupt durch den Nothaltknopf gestoppt zu werden.

 

Vierbeinige Teilnehmer können warten

 

Blld 7: Die Hunde warten geduldig auf das Ende der Schulung

 

 

Ein Dankeschön an die MVG und die Volkshochschule München, die es uns ermöglicht haben, den „unbekannten Untergrund“, durch den wir tagtäglich mit der U-Bahn befördert werden, einmal hautnah zu erleben! Es war eine wirklich lohnende Erfahrung, an dieser Schulung teilzunehmen!

 

(c) Text: Jacqueline Flor und Sascha Schulze
(c) Fotos: Dogxaid e.V.



Autor: root -- 11.01.2014 8:45:00


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