Nachruf auf einen mächtigen Hund, oder - www.dogxaid.org

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Nachruf auf einen mächtigen Hund, oder

Frauchensjahre sind Lehrjahre, oder

Warum macht der das??

    

Wir hatten 2 Jahre einen ganz besonderen Hund.
Groß, mächtig, selbständig, eigenwillig, durchsetzungsfähig, anspruchsvoll aber auf seine Art liebenswert.

Bereits beim ersten Besuch der ehemaligen Besitzer im November 2009 lag der Hund nach der ersten halben Runde um’s Haus mit dem Gesicht im schlammigen Wiesenboden, gleich hinterher mit der ganzen Körperseite. Den Komposthaufen hatte er sofort gesehen und genauer inspiziert.

Der erste Spaziergang über’s Feld, zusammen mit seinem neuen felligen Kumpel verlief friedlich, die beiden Tiere waren sich schnell einig, trabten neben- und hintereinander her.

    

Unser Neuer wälzte sich immer mal wieder im Schlamm und schleckte umgeackerte Erdschollen ab.

Die Leute meinten „ganz normal, der ist so, sie hätten mich ja vorgewarnt…..!“ Klar, hatten sie, war ja im Moment auch nicht weiter schlimm. Auffällig war, dass sie die Leine mehrfach um das Handgelenk gewickelt hielten, anscheinend um den Hund am Wälzen zu hindern. Der Hund schaffte es aber, ohne Rücksicht auf Verluste, immer wieder mal.

    

Zuhause angekommen trockneten wir die Hunde und setzten und an den Kaffeetisch. Unser neuer, nennen wir ihn mal „DickerHund“ (Namen geändert, um keinem weh- oder Unrecht zu tun) legte sich unbeirrt neben meinen Stuhl an der Küchentüre; den Kopf in Richtung der Türe. Zunächst auch nicht weiter dramatisch….

    

Irgendwann knallte es ziemlich. Der Dicke war aufgesprungen und mit voller Wucht gegen die Küchentüre, hatte er doch was Fressbares dahinter vermutet….

Die Leute vergötterten ihren Dicken sehr und konnten sich gar nicht recht von ihm trennen. Nach einem halben Jahr dann endlich.

    

Ich übernahm den Hund und machte meine ersten Schritte mit ihm an der Leine in einer großen, menschengefüllten Halle. Wo Menschen sind, gibt es was zu essen:  Der Hund konnte dahin laufen, wo er wollte, er nahm mich beim Wort und scannte den ganzen Boden der Halle systematisch ab. Er machte einen guten Staubsaugerjob, saugte sich alles rein von Salat- und Blütenblättern bis zu Pommes und Chips. Mir war vorher nicht klar, was Menschen in so einer Halle alles verlieren können.

    

Nach knappen zwei Stunden unproblematischer Heimfahrt (welcher Hund lässt sich nicht gerne chauffieren??) erreichten wir unser Zuhause. DickerHund (der Teufel!!) konnte sich exakt an die Stelle des Komposthaufens erinnern, galoppierte gleich dahin und fand etliche sehr feine Leckereien.

    

Es war Donnerstag Abend, und wir hatten außerdem noch eine Freundin mit Hund auf Besuch. Für den neuen Hund ideal, dachten wir, braucht der doch nur den anderen nachlaufen.

    

DickerHund setzte sich neben den gedeckten Esstisch und hechelte und röchelte, was das Zeug hielt. Es dauerte einige Zeit, bis wir ihm verständlich machen konnten, dass er nix vom Tisch bekommt, dass zuerst die Menschen essen und dann die Tiere; dass die Zeit dazwischen aber keinesfalls so lange ist, dass die Tiere befürchten müssen, in der Zwischenzeit zu verhungern.

    

Es war traumhaftes Wetter, sodass sich das Leben größtenteils auf der Terrasse und im Garten abspielen konnte. DickerHund mussten wir immer wieder vom Komposthaufen holen, der gefiel ihm allzu gut: „Boah, was werden das für freie Tage, wenn wir ständig hinter dem Hund her sein müssen??“

    

Beim ersten längeren Spaziergang durch den Wald liefen die drei Hund unkompliziert vor, parallel und hinter den Menschen mit. Auffällig war, dass der Dicke immer mal wieder ganz hinten am Wegrand stand und sich ganz intensiv mit irgendetwas am Boden liegenden befasste. Es dauerte aber nicht allzu lange, da trabte er wieder an die Spitze der Meute nach vorne. Das Ritual wiederholte sich immer wieder: Wir konnten es nicht glauben. Die Beiden vorne ignorierten die Leckerbissen am Wegrand, unser Dicker musste die haben:

Vergammelte, vereiterte, verwurmte Vögel, samt Federn, Schnäbel und Krallen.

    

Ich hätte nie gedacht, dass soviel Schmackhaftes am Wegrand liegen bleibt.

Zur Not schrappte er später auch mal Regenwürmer vom Teer, oder überfahrene Maulwürfe.

    

In den ersten Nächten mit dem neuen Mitbewohners wachten wir immer wieder mal auf. Der Dicke röchelte im Schlaf, als hätte ihm einer die Luft abgedrückt. Bei Licht und neben dem Hundekorb sahen wir aber, dass der richtig tief und fest geschlafen hat. Es war richtig schwierig, den aufzusetzen und ihm Besserung verschaffen zu wollen. Richtig sinnlos war es außerdem….

    

Wir haben haufenweise neue Erfahrungen gemacht mit diesem Tier.
Apropos Haufen: Vorne rein, hinten raus, wieder vorne rein, richtig fein!!

Erfahrungen, die wir von vorherigen Hunden nicht gekannt hatten.

Ganz schnell kamen wir auf die Frage: „Warum macht der das“??

Warum wirft sich der mit der Backe in die schlammige Wiese??

Warum suhlt sich der ausgiebig in jeder erkennbaren Pfütze??

Warum räubert der Komposthaufen und Küchen (wenn man mal unvorsichtig oder unbedacht ist)??

Warum schleckt der Erdschollen ab??

Warum frisst der seinen eigenen Mist nochmal??

    
Nasser und verklebter Hund wälzt sich im Gras    
    

Bild 1: DickerHund, nass und klebrig wälzt sich im Gras

    

Der Hund und die Erlebnisse mit dem waren der Anfang eines vollständig anderen Denkens für mich. Vielleicht aus Faulheit?? Wer will schon ständig einen Hund von den Ohren- bis zu den Schwanzspitzen sauber machen?? Wer will schon ständig einen Hund, der stinkt, weil er für menschliches Empfinden Ungenießbares gefressen hat??

    

Warum sollte der Hund sowas wollen?? Ist der von Haus aus fleißiger als der Mensch??
Ist der weniger reinlich?? – Wohl kaum, warum auch??

    

Ich kam ganz schnell zu der Überzeugung, dass der Hund diese Unsitten quasi aus der Not geboren hatte.

Er hatte vielleicht Zahnschmerzen (er hatte bereits viele Zähne verloren und die restlichen waren nicht mehr so toll) und musste sich feuchtes Gras unter die Lefzen legen um zu kühlen oder Gegendruck zu haben??

Er musste seine Haut am ganzen Körper in der Pfütze kühlen??

    

Er musste sich „Stoffe“ organisieren, die er mit dem bisherigen Futter nicht bekommen hatte. Welche Möglichkeiten hat er sonst, außer Komposthaufen räubern und Küchentüre überwachen…

Eigentlich war vor dem Einzug des neuen Hundes schon klar, dass der nur vom Feinsten zu fressen bekommen würde, hatte er doch ein arbeitsreiches, anspruchsvolles Leben gehabt.

    

Mit den Beobachtungen der ersten Tage fingen wir an, zusätzlich Heilerde zu geben: Damit brauchte er sich die Erde nicht mehr von den Schollen am Feld abschlecken und ich wusste, was er fressen würde und was nicht. Außerdem bekam er richtig abwechslungsreiches frisches Futter, sodass er seine „Depots“ hätte auffüllen können.

    

Wir konnten im Laufe der Zeit etliche Marotten des Kleinen in den Griff bekommen, wobei sich natürlich immer wieder Ausnahmen ergaben: Maulwurf von der Straße, selbst weg geschrappt ist halt doch schon sehr fein….

Der Hund stand nach Aussage unserer TÄ bereits nach ca. 2 Woche viel kräftiger und energischer auf seinen Pfoten, stank hin und wieder ganz gottserbärmlich, für uns Zeichen eines Entgiftungsvorgangs. Also der richtige Weg: Gift macht es dem alten Hund nicht leichter!

    

Dickerhund hatte auf einer Linie vom Kopf bis zum Schwanz drei Hautprobleme:
Eine Warze zwischen den Augen, ein kleines, nässelndes Loch am Hinterkopf und einen Talgabszess am Übergang LWS-Kreuzbein. Auffällig, die Probleme auf einer Linie, von vorne nach hinten größer werdend.

Die Haut ist das größte Entgiftungsorgan es Hundes, und sie hatte sich drei Ventile geschaffen.

Mit dem hintersten „Ventil“ waren wir immer mal wieder beschäftigt, es entwickelte sich letzten Endes zum Tumor, der dann auch irgendwann „explodierte“.

    

Ich meine, man weiß es nie so recht, aber wenn das eine Sache der Entgiftung war (der Meinung bin ich!), dann ist das was, was man dem Hund nicht antun darf. Der soll eine ganze Kraft und Energie für den Spaß am Leben verwenden können...

    
Hund, gerade aus dem tiefen Sumpf gerettet    
    

Bild 2: DickerHund, gerade aus dem Sumpf gerettet

    

Zu allem Überfluss hat sich während der Zeit des offenen Tumors am Rücken dann noch ein sehr aggressiver Tumor im Bereich Leber / Milz entwickelt, der dem so tollen Hund dann das Leben gekostet hat: Wir wollten nicht, dass der Tumor im Inneren platzt und der Hund verblutet bzw. erstickt, weil der Tumor die Lunge abdrückt.

    

Die Leber ist wiederum ein Entgiftungsorgan, die dem ganzen Mist nicht mehr Herr geworden sind.

Wir konnten’s nicht verhindern, ewig schade um den Hund, der ohne diese Tumore noch gut und gerne Kraft für mindestens 2 Jahre gehabt hätte…

    

Mit der obigen Geschichte habe ich versucht, das aktuelle Durcheinander in meinem Kopf zu ordnen. Vielleicht auch ein entspannteres Verhältnis zu dem zu bekommen, was wir die letzten Jahre hier erlebt haben. Es wird bei einem Versuch bleiben, weil es doch sinnlos ist.

    

Mir stellt sich die ganze Sache derzeit so dar:

DickerHund war sicher ein kleines, lebhaftes, munteres Welpchen mit jeder Menge Energie und Kraft für ein tolles Hundeleben. Vielleicht ein Leben mit lebhaften Kindern, die zusammen mit dem Hund viel erleben und erfahren dürfen. Er ist vielleicht einfach nur ein paar Jahre zu früh auf die Welt gekommen??

    

Mit dem Wissen was man mittlerweile hat, mit den Erfahrungen, die man hat machen können hätte man den Hund optimal versorgen können, er hätte Kraft und Energie genug gehabt,  seinen Organismus gesund und fit zu erhalten, seine einzelnen Zellen, Knochen und Gelenke optimal zu versorgen. Klar hätte es trotzdem vorkommen können (und genau das macht  meine Darstellung sinnlos!) dass Einflüsse von außen Schäden angerichtet hätten. Aber aus meiner Sicht sind die Zähne verloren gegangen, weil sie einfach nicht richtig versorgt waren und die Bandscheibe ist rausgerutscht, weil sie sich zwischen den angrenzenden Wirbeln nicht hat halten können. Ab dem Moment musste der Organismus diese Fehlstellen ausgleichen und damit an anderen Stellen Abstriche machen.

    

Richtig in den Sinn gekommen sind mir diese ganzen Zusammenhänge mal wieder, als wir den offenen Tumor täglich neu verbinden mussten. Das verblutete und  verschleimte Verbands- und Reinigungsmaterial stank fürchterlich, ich hab es jedes Mal gleich entsorgt. Wenn man sich mit den Sachen befasst, hört und liest, dass z.B. auch aus Klinikmüll Tierfutter  gemacht wird sollte doch jedem klar werden, dass das nicht die Basis für ein gesundes, munteres Hundeleben sein kann.

    

Gesundes Futter kostet mehr Geld und Einsatz als 0,89 € für 1200 g; und das sollte einem ein toller Freund schon Wert sein. Der dankt es auch ganz sicher und man kann zusammen mit ihm noch mehr schöne Erlebnisse haben.

    
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Heute, 3 Monate später habe ich ein bisschen Abstand zu den hektisch, arbeitsreichen Tagen mit dem schwerkranken Hund gewonnen.
Auf dem Grab liegt ein großer Stein vom Feld, Pfefferminze wächst und duftet.

    

Mittlerweile überwiegen die Erinnerungen an dieser Hund, die uns zwar immer wieder zum Kopfschütteln bringen, aber auch zum Lachen.

    

Ich hab erfahren, dass der Hund schon während seiner Ausbildung einen kompletten Döner mitsamt der Alufolie gefressen hat.

Gegen das unheimliche Fressen haben die dem dann mal Futter (Wurst / Fleisch) mit Bitterpaste vorgesetzt. Ist das Zeug, dass manche Tierärzte für Verbände mitgeben, damit die Hunde die Verbände nicht zerlegen. DickerHund hat das erste Teil gefressen wie immer. Das zweite Teil ein bisschen zaghaft, war wohl doch nicht ganz so fein. Das dritte Teil muss er ganz vorsichtig mit den Vorderzähnen aufgenommen haben, in die Luft geworfen haben, dann aufgefangen und geschluckt haben.

DickerHund original, so war der einfach.

    

Auch die sieben Tafeln Schokolade und den TrockenSauerteig im aromadichten Alubeutel musste er ja haben und hat es vollkommen unbeschadet überlebt.

Tierärzte bekommen bei solchen Geschichten riesengroße, fragende Augen.

    

Egal was sich der vorgenommen hatte, er hat es dann kompromislos durchgezogen: Er ist quer über umgeackte Erdschollen gelaufen, eher schon gestopltert, muss dem unheimlich Kraft gekostet haben. Aber, es war ihm einfach lieber, als außenrum auf der sauberen Teerstraße zu laufen.

    

Wir hatten den Hund ziemlich genau zwei Jahre, noch dazu in einer Zeit, wo er ja schon nicht mehr soviel Kraft hatte. Ein ganzes Leben mit dem; daraus hätte man sicher eine hollywoodreife Serie drehen können.

    

Sauberes Hundeohr

    

Bild 3: Das Hundeohr war immer sauber, warum, ich weiß es nicht!

    
    

Wir werden den Hund sicher nicht vergessen ;-))

    
    


Autor: root -- 13.07.2012 16:52:18


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