Inhalt Rechts
Rechte optische Spalte
Inhalt Mitte
Hauptinhalt
Kontrolle ist gut, Vertrauen unbezahlbar!
Ein Erlebnis- und Erfahrungsbericht, wie ich auf den Hund kam und was es heißt, mit vier Pfoten durch die Welt zu gehen.
Schon immer hatte ich großes Interesse für Hunde und fand Gefallen an ihnen. Meine ersten buchstäblichen Gehversuche mit einem Blindenführhund, im wahrsten Sinne des Wortes, machte ich, als ich mein erstes Mobilitätstraining absolvierte, da mein damaliger Mobtrainer auch Führhundausbilder war. So kam es, dass er manches Mal einen Hund zu unserem Training mitbrachte, den er während dieser Zeit gerade zum Blindenführhund ausbildete. Irgendwann hatte er seinen eigenen Hund, der nicht nach der Ausbildung vermittelt wurde, und mit dieser Hündin, Selma hieß sie, hatte ich das Glück, ein paar Mal im Führgeschirr laufen zu dürfen.
Trotz meiner Zuneigung zu Hunden hat der Entschluss, selbst auf den Hund zu kommen, sehr lange gedauert, da ich mir über einen Zeitraum von tatsächlich einigen Jahren gründlich überlegt habe, ob ich einem Hund, mit all seinen Bedürfnissen, seiner Individualität und seinen Anforderungen wirklich gerecht werden kann.
Hierbei dachte ich in erster Linie immer an den Vierbeiner als eigentlichen Hund, nicht an seine Eigenschaften und Vorzüge als Hilfsmittel. Natürlich ist diese Besonderheit in vieler Hinsicht praktisch, erleichternd oder auch zeitsparend, aber zu allererst ist auch der Blindenführhund ein ganz normales Tier, mit seinen ganz normalen, alltäglichen Bedürfnissen. Er benötigt ein hohes Maß an Bewegung, Auslauf, Freizeit, Spiel, benötigt Futter, kann krank werden, oder man selbst als Halter erkrankt und muss im Zweifelsfall eine Unterbringung für den Hund gewährleisten, wenn man ihn nicht selbst betreuen kann.
All das ging mir sehr lange und gründlich durch den Kopf und ließ mich doch eine Weile zögern. Bis ich dann an einem Wochenende ein Seminar für Erstführhundhalter und Führhundinteressenten besuchte. Danach war der Knoten endgültig geplatzt. Ich dachte mir, wenn nicht jetzt, wann dann. Gesagt, getan.
Innerhalb von ich glaube vier Monaten schaute ich mir vier Führhundschulen an, reiste dafür quer durch Deutschland, von Hamburg bis Dresden, und landete letztendlich bei einer Schule in Köln ganz in meiner Nähe. Hier wurde Zorro ausgebildet, mit dem ich im November 2011 meine Einweisung begann. Ab diesem Zeitpunkt änderte sich mein Leben schlagartig, und wenn ich etwas sagen kann dann dies, dass ich die Entscheidung für einen Blindenführhund keine Sekunde lang bereue, auch wenn es in unserer Teamfindung schlechte Phasen gab und es auch jetzt immer noch Zeiten gibt, wo es frustrierend ist.
Genau wie in einer Mensch-Mensch-Beziehung gibt es auch in der Mensch-Hund-Beziehung gute und schlechte Zeiten, Phasen, in denen das Zusammenspiel weniger gut funktioniert, in denen sich Hund und Halter nicht verstehen. Aber genauso gut gibt es die anderen Momente, in denen es scheint, als würde mein Hund allein meine Gedanken verstehen und entsprechend richtig interpretieren.
Natürlich war die erste Zeit im Zusammenleben mit Zorro nicht einfach, und ich habe bereits während der Einarbeitung einige Male abends unter Tränen zu Hause gesessen, weil ich dachte, ich werde meinen Hund und seine Signale nie verstehen, oder, ich bin eine schlechte Hundehalterin, weil ich meinen Hund nicht verstehe, weil ich ihm nicht das vermitteln kann, was ich soll. Ich kann aber jedem Hundeinteressenten sagen, es lohnt sich, an dieser Stelle auf jeden Fall am Ball zu bleiben, an sich und seinen Hund zu glauben und weiterzumachen. Der Hund belohnt dich mit seinem Vertrauen, seiner Treue und Zuverlässigkeit dafür.
Nachdem wir also die ersten Zerreisproben überstanden und bestanden hatten, uns einige Male verlaufen und die Testphase absolviert hatten, in der Zorro ausprobierte, ob ich meine Kommandos tatsächlich ernst meinte und wie konsequent ich war, wurde es besser. Dass mein Schwarzer Rächer, wie ich ihn liebevoll aufgrund seines Namens und seiner Farbe nenne, endgültig in seinem neuen Zuhause angekommen war, merkte ich an dem Tag, wo er das erste Stofftier von der Couch nahm und durch die Wohnung trug.
Seither, mittlerweile beträgt unsere gemeinsame Zeit schon über fünf Jahre, sind wir zu einem guten Team zusammengewachsen. Das erfordert natürlich trotzdem weiterhin tägliche Bindungsarbeit, Gehorsamstraining und kontinuierliche Beziehungsarbeit, aber wenn man bereit ist, dies zu investieren, dann ist ein Hund ein toller Partner auf vier Pfoten, mit dem man eine Menge erleben und entdecken kann. Auch das eigene Selbstbewusstsein wird dadurch sehr gestärkt, denn ich traue mir mittlerweile Dinge zu, die ich ohne Hund nicht machen würde. Beispielsweise mit öffentlichen Verkehrsmitteln an mir bislang unbekannte Orte reisen, an Bahnhöfen aus- oder umsteigen, die ich überhaupt nicht kenne. Ich kann mich einfach darauf verlassen, dass mein Hund allgemeine Objekte wie eine Treppe oder auch eine freie Sitzgelegenheit an jedem Bahnhof findet und mir anzeigt, egal, ob ich diesen Bahnhof kenne oder nicht. So bedeutet Zorro für mich ein viel größeres Stück Freiheit als der Langstock es je könnte.
Einen absoluten Glücksmoment erlebe ich dann, wenn mein Hund auf Kommando zielsicher eine Örtlichkeit aufsucht, die wir vorher vielleicht nur ein einziges Mal besucht hatten und wo ich mich selbst gar nicht so gut auskenne. Solange ich den Hund spüren lasse, dass ich ihm vertraue, und ihm buchstäblich die Führung überlasse, solang und so gut wird es funktionieren und wir kommen dort an, wo wir hin wollen. Wenn ich allerdings selbst zu vorschnell davon ausgehe, zu wissen, wo es lang geht, und wieder einmal – wie leider immer noch oft genug, auch nach all der Zeit – die Kontrolle behalten möchte, ohne in gewisser Weise auf meinen Hund zu hören, dann geht es meist schief.
Dieser Schritt des Umdenkens, des im wahrsten Sinne des Wortes blinden Vertrauens, war für mich mit der schwierigste überhaupt auf dem Weg, mich auf meinen Hund einzulassen. Vorher jahrelang nur mit dem Langstock unterwegs, war ich auch in den Anfängen mit Führhund immer der Meinung, ich wüsste wo es langgeht, ich müsse immer, zu jeder Zeit die Kontrolle des gesamten Führgespanns behalten, und mein Hund hätte ja Unrecht, wenn er plötzlich aus mir unerfindlichen Gründen vom Weg abwich. Dabei stellte sich dann im Nachhinein in der Regel heraus, dass der Hund sich selten irrte.
Ein für mich unbeschreiblicher Moment war es, als Zorro und ich meinen Lebensgefährten in einer Pflegeeinrichtung besuchten, wo er vorübergehend untergebracht war. Wir hatten ihn dort vorher nur einmal besucht, und da war Zorro noch nicht einmal im Geschirr mit dabei, sondern nur an der Leine, ich in sehender Begleitung. Bei unserem zweiten Besuch war ich mit dem Schwarzen Rächer allein unterwegs, und Zorro führte mich. Ich kannte grob den Weg, wusste aber nicht sicher, wo sich das Zimmer meines Freundes befand. Also schickte ich Zorro los und trug ihm auf, das Zimmer zu suchen. Zielsicher führte mich mein Hund von den Fahrstühlen aus durch die Gänge und blieb exakt vor der richtigen Zimmertür stehen, als hätte er nie etwas anderes getan.
Diese Momente kann ich nicht mit Worten beschreiben, das ist einfach pures Glücksgefühl und erzeugt in mir immer ein absolutes Gänsehaut-Feeling. Dieser Zusammenhalt zwischen meinem Hund und mir in diesen Augenblicken, dieses gegenseitige Vertrauen, das ist mit nichts auf der Welt vergleichbar und ich bin jeden Tag froh und dankbar, dass ich diese Momente mit Zorro erleben darf.
Abschließend kann ich als Fazit nur jedem ans Herz legen, der bereit ist, Zeit, Aufmerksamkeit, Sympathie und Empathie aufzubringen, sich für einen Blindenführhund zu entscheiden, es bereichert das Leben ungemein, auch wenn es natürlich Anstrengungen und vielleicht manches Opfer für einen selbst mit sich bringt. Die Freude mit dem Hund überwiegt. Allerdings sollte man stets die Bedürfnisse des Hundes nicht vergessen. Er ist nicht in erster Linie ein Hilfsmittel, sondern ein vollwertiger Partner, der, wenn er sich nicht artgerecht behandelt fühlt, seine Arbeit nicht gern und gut verrichtet.
Solange die Mensch-Hund-Beziehung im Gleichgewicht ist und jeder der beiden Partner zu seinem Recht kommt, solang wird es ein gutes Gespann sein, was sich durch gegenseitiges Vertrauen, Akzeptanz und Zuverlässigkeit auszeichnet. Dann wird es viele dieser Glücksmomente geben, in denen sich sowohl Hund als auch Mensch pudel- bzw. retrieverwohl fühlen.
(c) Text: Sandra mit Zorro
Autor: root -- 28.01.2019 16:22:40
Dieser Artikel wurde bereits 20602 mal angesehen.